Pia Reutter Psychologische Beratung

Was ist Traumasensibles Coaching?

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Definition

Traumasensibles Coaching ist eine Arbeitsweise, die Trauma in seiner Komplexität versteht, Symptome und Dynamiken wahrnimmt und hilfreich damit umgeht. Sie sorgt für Sicherheit und vermeidet Retraumatisierungen (was tatsächlich in anderen Coaching- und Therapieformen passieren kann bei Menschen mit Traumahintergrund). Für mich persönlich bedeutet traumasensibles Coaching immer ein ressourcenorientiertes, ganzheitliches Begleiten mit bottom-up und top-down Ansätzen. Ressourcenorientiert bedeutet z.B. jeder hat etwas Starkes, Kraftvolles in sich und in jedem noch so unangenehmen Zustand steckt positive Lebensenergie (vielleicht für dich gerade kaum zu glauben aber begeisternd, wenn du es erfährst ;-). Ganzheitlich heißt, es integriert alle Ebenen unseres Seins und schließt z.B. aktiv den Körper mit ein. Bottom-up Ansätze gehen vom Körper aus und bewirken über die Körperarbeit auch eine Gefühls- und Kognitionsänderung. Top-down Ansätze verändern unser Denken und Bewerten und beeinflussen somit unsere Gefühle und Körperreaktionen.

Warum überhaupt Traumasensibles Coaching?

Kurzgesagt, weil wir nicht immer wissen, ob ein Trauma in uns schlummert. Weil es für jeden Menschen wohltuend ist – egal, ob mit oder ohne Trauma. Und weil es Antworten geben kann, nach denen du vielleicht schon lange gesucht hast.

Jeder Mensch hat gesunde, innere Anteile und Anteile, die Verletzungen tragen. Vielleicht trägst du Traumaerfahrungen und weißt davon. Vielleicht hast du keinen Traumahintergrund. Vielleicht schlummert es in dir unentdeckt. Zum Beispiel bist Du beruflich erfolgreich und verfügst über hohe empathische Fähigkeiten und spürst immer wieder unverständliche Symptome (hohe Anspannung, Überforderung usw.) oder erlebst wiederholte Muster und Dynamiken. Oft helfen gängige Methoden wie Yoga, Manifestieren, positives Denken, starke Anstrengung oder die schnelle Auflösung von Glaubenssätzen nicht und führen zu (jahrelanger) Frustration oder Selbstzweifel. Häufig kann die Psychotraumatologie Antworten geben auf die Fragen, die dich beschäftigen und dein Leiden erklären sowie Perspektiven aufzeigen. Nach und nach kannst du endlich das Leben führen, das du dir schon lange wünschst. Wichtig ist mir noch zu erwähnen, dass kein Krankheitsbild vorliegen und nach außen hin nichts auffällig sein muss.

Ziel von Traumasensiblem Coaching

Das Ziel von Traumasensibler Begleitung ist wieder in die eigene Stärke und Lebenskraft zu kommen, sich mit sich und anderen verbunden zu fühlen, und flexibler sowie entspannter mit schwierigen Situationen umgehen zu können. Selbstbestimmung statt Ohnmacht, mehr Resilienz und Balance im Leben. In der Fachsprache spricht man hier von einem regulierten, autonomen Nervensystem mit einem weiten Stresstoleranzfenster, starken Ressourcen, der Fähigkeit des Containments (innere Kapazität) sowie ganz zentral über die Selbstregulationsfähigkeit. Das mag ich dir kurz erklären.

Jeder Mensch hat durch seine frühen Prägungen eine Voreinstellung im autonomen Nervensystem. Autonom heißt, das Nervensystem agiert eigenständig, ohne dass wir das willentlich steuern. Es ermöglicht unser Überleben. So funktioniert z.B. unsere Verdauung ganz von alleine ohne unsere bewusste Anweisung. Wie unser autonomes Nervensystem auf innere oder äußere Erlebnisse reagiert, wird maßgeblich in unseren ersten Kindheitsjahren geprägt – je nachdem welche Erfahrungen wir machen. Aber auch die Zeit im Mutterleib, die Geburt sowie transgenerationale Traumen können eine große Rolle spielen. Im Erwachsenenalter ist das Nervensystem also voreingestellt, z.B. wie weit oder eng unser Stresstoleranzfenster ist und wie unser autonomes Nervensystem hauptsächlich schwingt (im oder außerhalb des Fensters, starke Ausschläge nach oben/unten o.Ä.). Das bestimmt, wie sicher und wohl wir uns fühlen, wie belastbar wir sind und wie schnell wir uns gestresst, ängstlich, unsicher, panisch fühlen oder wie schnell wir uns leer, wie gelähmt, depressiv oder träge erleben oder zwischen diesen beiden Extremen hin- und herschwanken. Auch unsere Grenzen, die innere Stärke und Resilienzfähigkeit wird dadurch festgelegt. Die gute Nachricht ist: die Voreinstellung können wir verändern!!

Mit anderen Worten ist ein Ziel der traumasensiblen Begleitung also das Ändern unserer Voreinstellung im autonomen Nervensystem hin zu einem regulierten System mit weitem Stresstoleranzfenster. Dadurch werden die Gefühlsausschläge kleiner (Ängste, Getriebensein, Depression usw.), das Stressempfinden nimmt ab, Symptome können verschwinden und wir fühlen uns entspannter, sicherer, ausgeglichener, wieder mehr in unserer Kraft und Lebensfreude.

Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung oder Stärkung von Containment, d.h. unserer Fähigkeit uns selbst in schwierigen Gefühlslagen zu begleiten, und ganz zentral der Ausbau unserer Selbstregulationsfähigkeit, die uns ermöglicht, eigenständig und selbstbestimmt wieder in unser Wohlbefinden zurückzufinden, wenn ein Ereignis uns aus der Bahn wirft.

Die Ressourcenstärkung hilft zur Selbstregulation und dass wir uns wieder mit uns selbst und vor allem mit dem starken, unversehrten Teil in uns verbunden fühlen. Und dass wir im Hier und Jetzt bleiben können.

Oft geschieht die Traumaheilung in all diesen Prozessen von alleine. Dennoch ist Traumasensibles Coaching keine Traumatherapie. Sie bildet eine gute Grundlage dafür, wenn noch eine Therapie angeschlossen werden sollte.

Wie arbeitet die traumasensible Begleitung?

Die Traumasensible Begleitung arbeitet mit dem Hier und Jetzt, also mit den heute spürbaren Folgen und Symptomen. Es ist also nicht wichtig, das eigene Trauma zu kennen (gerade bei Frühtraumatisierungen ist das manchmal gar nicht möglich) noch muss man die schrecklichen Ereignisse wiedergeben. Das Hoffnungsvolle ist: Veränderung ist trotzdem möglich!!

Die Basis von traumasensibler Arbeit bildet die Beziehung, Traumawissen und der Körper (vgl. Verena König 2021).

Unsere Coaching-Verbindung ist von Wertschätzung, Sicherheit, Transparenz und Augenhöhe geprägt. Du hast jederzeit Wahlmöglichkeiten und darfst dich in der Beziehung sicher fühlen (vielleicht zum ersten Mal in einer Beziehung). Es gibt kein Schema, sondern es geht darum ganz individuell für dich passende Antworten zu finden.

Traumawissen bedeutet, dass du viel Trauma-Hintergrund erfährst zu deinen Symptomen, z.B. wie diese entstehen, welche neurobiologischen Zusammenhänge es gibt. Außerdem erforschen wir den guten Grund, denn alles, was du fühlst, macht Sinn! Das Verstehen und Einordnen entlastet enorm. Außerdem entdeckst du deine Ressourcen und deine Lebenskraft wieder. Das ermächtigt und schenkt Zuversicht. Und ja – EGAL, was dir passiert ist und war es noch so lebensbedrohlich oder unerträglich, es gibt eine tiefe Kraft in dir, die unberührt ist von all den Verletzungen. Und es ist nie zu spät. Sei gespannt 😊

Der Körper trägt alle Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Davon geht die aktuelle Forschung aus. Daher ist mir ein körperorientierter Ansatz sehr wichtig. Du lernst dein Nervensystem besser kennen und lernst dich selbst immer mehr zu regulieren. Da geht es nicht um Vermeidung oder Kontrolle, sondern dass du dich dir selbst und deinen (schmerzenden) Symptomen zuwenden kannst, ohne davon überwältigt zu werden. Das stärkt dich und hilft dir im Alltag immer besser mit starken Gefühlen umzugehen.

Quelle: vgl. Verena König (2021)

Anwendungsgebiete

Da unklar ist, ob jemand ein Trauma trägt oder nicht, wäre es wünschenswert, wenn jegliche Beratungs- und Coachingkontexte traumasensibel gestaltet würden. Hier ein paar Beispiele, wann sich das Traumasensible Coaching explizit lohnt:

Lebensthemen

  • in denen bisher keine Veränderung sichtbar wird
  • mit wiederholenden Dynamiken und Muster
  • wenn man einfach wieder in die eigene Kraft, Lebendigkeit und Stärke zurückfinden möchte

In Stress- & Krisensituationen

  • Verstehen von Körpersymptomen & emotionalen Reaktionen
  • Stress- und Krisenbewältigung
  • Verarbeiten von Stress- und Belastungssituationen
  • Entwicklung von mehr Resilienz & Stresstoleranz

Bei Symptomen

  • der Übererregung: z.B. innere Unruhe, Getriebensein, Überforderung, Schreckhaftigkeit, Gedankenkreisen, Schlafstörungen, Angst & Panik
  • der Untererregung, z.B. innere Leere, Taubheit, wie gelähmt fühlen, Depression, Burnout
  • Schwanken zwischen den Erregungszuständen Über/Untererregung
  • Emotionale Unausgeglichenheit, Spannungszustände
  • Unerklärliche körperlichen Symptomen ohne medizinische Ursache

Abgrenzung zur Traumatherapie

Das Traumasensible Coaching ist keine Traumatherapie und will diese nicht ersetzen. Es richtet sich an gesunde Menschen mit oder ohne Traumahintergrund – ohne psychisches Krankheitsbild. Es tut mir leid, wenn das sachlich und nicht zart formuliert ist. Mir ist wichtig, dass die Grenzen klar abgesteckt sind und du weißt, was dich erwartet.

Wenn du eine psychische Diagnose vom Arzt erhalten hast und du zusätzlich zu deiner Psychotherapie traumasensible Unterstützung wünschst, ist das möglich und ich begleite dich gerne. Bitte informiere dein*e Therapeut*in darüber. Rechtlich darf ich dich nur begleiten, wenn du parallel in Therapie bist.

Neugierig geworden?

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